SILVESTER STÖGER // KRISTALLINE TOPOGRAPHIE

Zum einjährigen Jubiläum des super+CENTERCOURT eröffnet gemeinsam mit dem Münchner Kunstarealfest die Ausstellung des Wiener Medienkünstler Silvester Stöger (*1983), Filmrestaurator und Absolvent von Professor Erwin Wurm an der Universität für angewandte Kunst in Wien.  

Meist in Serien arbeitend, näherte er sich über die Deklination von digitalen Kartografien und deren aussagekräftiger Symbolik seiner aktuellen Thematik an. Er manipulierte dabei Bildfragmente populärer Orte – Gemeinplätze kultureller Assoziation – und arrangierte diese nach einem subjektiven Ordnungssystem neu. In zunehmender Komplexität digitaler Verfremdung und in Überlagerung ergaben sich so hochartifizielle Collagen. Die Ergebnisse ähneln in ihrer seriellen Ornamentik einer beängstigenden Verallgemeinerung städtebaulicher Utopie (City Fragments, 2009,  Fortress Europe, 2010) und machen in letzter Konsequenz das digitale Medium und seine Pixel selbst zum Thema. So erweisen sich Blind Spot, 2012 und Viral Wars, 2013 im Rückgriff auf das medienimmanente, bildstiftende Pixel als Abstraktionen, die ihre Bildwirksamkeit aus der Differenz des abgebildeten Gegenstandes und der Materialität des Bildmediums schöpfen. 

In einer ähnlichen Ambivalenz stehen Stögers neue Topografien zwischen Charakteristika digitaler Exaktheit und der verblüffenden Umsetzung im analogen Medium der Tuschfederzeichnung. Die fiktionalen Strukturen überwinden, befreit aus ihrer Funktion der Repräsentation, die Limits des Digitalen. 

o lotet die manuelle Schraffur den Bildraum als autonome Topografie aus. Ihre Struktur unterliegt dabei nur dem künstlerischen Gestaltungswillen und kokettiert mit kartografischen Symbolen wie „Grenze“, „Markierung“ und „Stecknadel“. Im Werkzyklus Impact Distribution wurden so Einschreibungen auf der oberflächlichen Textur vorgenommen, die untereinander in Beziehung stehen. Diese scheinbar willkürlichen Interventionen in die meditative Regelhaftigkeit des Liniengefüges, sind das bildhafte Spiel eines Konjunktivs, eines unbestimmten Szenarios, deren fiktives, gegenständliches Geschehen dahinter nur zu erahnen bleibt. Der Betrachter findet sich damit spielerisch zu den Gemeinplätzen zurückgeführt. Er „erkennt“ in der Abstraktion, denn entsprechend seiner Sehgewohnheiten wandert sein assoziierender Blick auf der Suche nach Orientierung und im Versuch der Dechiffrierung über die Oberflächen. 

Als Weiterentwicklung der organischen Komponente greifen die Schraffuren im Ausstellungsraum zunächst über die gerahmten Werke hinweg auf die Wand. Dann, über den CENTERCOURT hinweg, in den öffentlichen Raum hinein. Entsprechend der kartografischen Skalen vergrößern sich dabei die Striche der Schraffuren zunehmend und der Betrachter begegnet ihnen eingeschrieben in die reale Oberfläche. Ihr artifizieller Eindruck ist so relativiert. 

Durch die Überlagerung schließlich mit Lichtbildern aus Diaprojektoren verändert sich bei Dunkelheit der Eindruck der Kristallinen Topografien grundlegend. Die Gelatineschicht der unbelichteten jedoch entwickelten und daher weißen Dias wurde jeweils mit schwarzer Tine beträufelt. Im Trocknungsvorgang brach die Farbschicht und hinterließ zufällige, amorphe Formen. Mit diesen Formen überspitzt der Künstler die Ästhetik des analogen Lichtbildes, und im Zusammenspiel mit seinen Zeichnungen, die Grenzen digitaler und analoger Bildfähigkeit.

Viktoria Wilhelmine Tiedeke

Im Anschluss an die Ausstellung erschien der Katalog " zu Kartografie und organischen Maschinen" im Verlag monochrom. Er bietet einen erstmaligen Überblick über das Schaffen des Künstlers.